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Bewertungen unterlassen / Objektivität

von | 18. April 2019 13:43 | 0 Kommentare

zuletzt aktualisiert am 19. April 2025 16:34

2016 sagte mir eine Therapeutin, Bewertungen solle ich tunlichst unterlassen, sie brächten mich in die Hölle. Haaa, was Sie nicht sagen…?!? Ich habe mir das bis heute gemerkt, konnte damit aber erst in den letzten Monaten wirklich etwas anfangen. 

Ich habe es hier schon einmal erwähnt, dass wir, indem wir Dinge, Situationen, bewerten, ihnen einen Stempel aufdrücken, einen Wert geben, den sie gar nicht haben. Wir denken, etwas ist gut oder böse, richtig oder falsch, positiv oder negativ. 
Wenn uns etwas Unschönes widerfährt, dann kann das ganz schön kräftezehrend sein, unangenehm bis hin zu quälend. Wenn ein geliebter Mensch stirbt oder ein Haustier, dann kann uns das so sehr traurig machen, dass wir glauben, das hört nie wieder auf. Aber ist es deswegen „schlecht“?

Bleiben wir bei dem Beispiel Tod. Es gibt Völker, die zelebrieren das gaaanz anders als wir. Die freuen sich für die Person, die es betrifft, weil das Leiden endlich ein Ende hat. Wir kleiden uns schwarz und trauern. Beides die gleiche Situation, völlig anders bewertet. 
Als ich mitten in meinem Dilemma steckte, ganz tief drin, soweit unten, dass ich dachte, ich würde lieber sterben, da hab ich geflucht. Ich habe mein Leben gehasst. Ich hasste das, was mir widerfuhr. Heute, und ich kann es selber kaum glauben, bin ich dankbar für das, was es mich lehrte. Was einen nicht umbringt, macht einen wahrlich stärker. Das ändert aber nichts an dem Dilemma. Es war tragisch, es hat uns alle Kraft und Nerven gekostet und ich möchte behaupten, dass nicht jede Ehe so etwas stand hält. Nicht einmal jede Eltern-Kind-Beziehung. 

Das Ganze ist deswegen so geil, weil wir die Fähigkeit haben, den Dingen Macht zu geben oder sie ihnen zu nehmen. Wenn meine Existenz bedroht ist, ob nun real oder nur so empfunden, und meine Gefühle waren existenziell, und ich ständig denke, um Gottes Willen, wie soll ich das schaffen, und wie schrecklich das alles ist etc., dann ist dies zwar für den einen oder anderen verständlich, aber nicht unbedingt förderlich. Ich kann dem ganzen auch gegenübertreten und sehen, wohin es mich führt; mit Neugier, Hoffnung, dass sich schon irgendein Weg ergeben wird. 

Das ist alles andere als leicht. Ich übe jeden Tag an den kleinen Dingen, die mir begegnen. Und sei es der Autofahrer, der hinter mir wieder drängelt. Ist er ein Arschloch oder liegt seine Frau in der Klinik und bekommt ein Kind? Who knows. 

Die ständigen Bewertungen, die ich immer und immer wieder vornehme, tun mir nicht gut. Sie lassen Selbstzweifel an mir nagen, machen mich zuweilen hoffnungslos, lassen mich alles infrage stellen und und und. Im Grunde alles unnötig. Wie vieles andere, lerne ich aber auch das noch. 

Die Dinge sind nicht das, was sie zu sein scheinen. Erst wenn wir die Brille abnehmen, durch die wir ständig bewerten, erhalten wir einen Blick auf die Welt so wie sie wirklich ist. Und diese Welt ist weder richtig noch falsch, weder gut noch böse, weder positiv noch negativ. Das sind von Menschen erdachte Kategorien, die das Leben nicht kennt. Die Welt, das Leben, mit all seinen Facetten, ist, was sie ist. 

Mein Lieblingszitat dazu:

„Jenseits von Richtig und Falsch gibt es einen Ort. Dort treffen wir uns.“ (Rumi, persischer Mystiker)

Euer Kopfflüstern

 

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