Durch die Arbeit mit dem inneren Kind und TRE durfte ich lernen, dass alle Gefühle, ausnahmslos, richtig sind.
Der Mensch neigt dazu, Dinge in Kategorien einzuteilen. Rang 1 auf der Liste der beliebtesten Kategorien „Positiv und Negativ“, „Richtig und Falsch“. Nun hat diese Medaille aber leider eine dritte Seite, derer sich die wenigsten bewusst sind. Die Objektivität. Die Dinge sind, was sie sind.
Teilen wir in „Richtung oder Falsch“ ein, bewerten wir. Wir drücken den Dingen einen Stempel auf, den sie eigentlich nicht haben.
Und so verfährt der Mensch auch bei den Gefühlen. Ich höre heute noch Sätze wie „Du musst doch nicht weinen“, nein, muss ich nicht, aber wenn mir danach zu mute ist, dann darf ich das! „Da kommen die Hörner raus“… mein Gott, das macht mich gleich wieder aggro. Was ist so falsch an Wut? Hat denn Wut gleich etwas mit Aggressionen zu tun? Und falls ja, kann ich diese nicht am Sandsack oder im Kampfsport auslassen?
Als ich begann, meine Familiengeschichte zu durchforsten und alles genauer unter die Lupe zu nehmen, stellte ich schnell fest, dass Wut und Traurigkeit in meiner Familie nie viel Platz hatten. Das scheint sich bis heute wenig geändert zu haben. Wut war gänzlich falsch und Trauer versuchte man schon immer schnell wieder in etwas Schönes zu kehren. Das darf ich heute nun ausbaden.
Was man mir als Kind also beibrachte, war, dass Wut und Traurigkeit „falsch“ sind bzw. wenn ich diese empfand, dass ich „falsch“ bin. Wobei ich denke, dass letzterer Aspekt eine ganz andere Hausnummer ist.
Bis 2016 kannte ich keinerlei Wut. Dieses Gefühl schlug bei mir immer sofort in Selbstzweifel und Traurigkeit um. Somit lernte ich also nie einen richtigen Umgang damit. Ganz ehrlich? Es ist einfach mega scheiße, wenn man mit 33 erstmal lernen muss, wie man mit Wut und allerlei anderen Gefühlen umgehen kann, weil man es in der Kindheit nicht lernen durfte. Ja, ich bin sehr frustriert, was das angeht. Denn ich stehe nicht einfach nur vor einem Süßigkeitenregal und bekomme meinen Lieblingsschokoriegel nicht, sondern da haben sich noch ganz andere Dinge angehäuft.
Nun ja, plötzlich stand da also die Erkenntnis im Raum, dass jedes Gefühl seinen Platz im Leben hat (dass das sicher bei den wenigstens Menschen der Fall sein wird, ist eine andere Geschichte), zumindest sollte es so sein dürfen.
Das tat irgendwie weh. So viele Jahre hatte ich gegen diverse Gefühle angekämpft… unnötig.
Gleichzeitig war da aber auch eine neue Welt. Mir wurde klar, dass es völlig okay ist, wütend zu sein, traurig zu sein, dass ich sogar Hass empfinden darf. Angst, Einsamkeit etc. Und plötzlich machte ich mich auf den Weg, meine Gefühle zu akzeptieren. Noch viel wichtiger, sie nicht mehr zu bewerten.
Gefühle können einen wirklich den Anschein geben, als gehe man durch die Hölle. Wäre meine Sicht auf meine Gefühle eine andere gewesen, hätte ich dann vielleicht nicht durch die Hölle gehen müssen?
Ich trage heute eine tiefe Traurigkeit in mir. Was anders ist, als früher? Ich bin nicht diese Traurigkeit, aber sie ist ein Teil von mir. Es frisst mich nicht so auf, nimmt mich nicht so ein. Mein Magen ist flau, ich bekomme heute nicht das beste Lächeln auf meine Lippen, aber dennoch, und das finde ich grandios, habe ich so einen Blick für das große Ganze. Ich war schon einkaufen, hatte nette kleine Gespräche, habe schon viel mit unserem Kind gelacht. Es ist eben beides. Früher war ich immer nur das oder das.
Wer Probleme mit einem Gefühl hat, dem rate ich dringend, sich da schlau zu machen und diese Sicht zu ändern. Gefühle wollen gelebt werden. Sicher, ich kann meinem Chef nicht eine reinwürgen, weil er sich mal wieder daneben benommen hat. Könnt ihr schon, aber dann könnte es sein, dass ihr mit gewissen Konsequenzen leben müsst. Aber ich kann diese Wut sehr wohl an anderer Stelle ausleben.
Mein Rat, Gefühle niemals unterdrücken. Das kommt dem Deckel auf dem Topf mit dem kochenden Wasser gleich. Irgendwann ist der Druck einfach zu groß.
Eine genaue Wegbeschreibung gibt es wieder immer nicht.
Gefühle akzeptieren, sie willkommen heißen (klingt vielleicht etwas esoterisch, aber wenn mir ein Gefühl einfach zu groß ist und ich keinen richtigen Umgang damit finde, dann sag ich mir wirklich „Hey, Du, sei gegrüßt, was magst Du mir zeigen“, so oder so ähnlich). Viele Gefühle kommen ja wirklich aus der Vergangenheit und klopfen manchmal in den unmöglichsten Situationen an die Tür und wollen gesehen werden. Und ich erinnere daran, Druck erzeugt Gegendruck. Macht ihr den Deckel also wieder darauf, kommt das Gefühl irgendwann wieder und klopft noch lauter.
Ich weiß heute auch nicht, was ich mit dieser Traurigkeit anstellen soll. Woher sie kommt, ist mir klar. Ich verabschiede mich von gewissen Vorstellungen, was ich in meinem Leben gerne hätte, diese aber mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit (alle Pathologen seien herzlich gegrüßt) nicht erreichen werde. Und ja, da ist Traurigkeit sehr angemessen. Da gehört sie hin. Aber vielleicht muss ich mit ihr auch gar nichts anstellen, es ist eben, wie es ist. Ein Teil vor mir und sie darf sein.
Wenn ich überlege, dass ich mich kurzfassen wollte…
Mit dem Thema kann man Bücher füllen. Und ganze Blogseiten. Wenn es Euch interessiert, dass Netz ist voll damit. Es ist ein Punkt auf meiner Reise, deshalb bekommt er hier seinen Platz.
Ein gefühlvolles Osterfest!
Euer Kopfflüstern
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