Gerade lag ich in unserem Bett und begleitete unser Kind in den Schlaf. Da dachte ich an S., die vor einigen Stunden an der Brust ihrer Mutter einschlief.
Als wäre es gestern gewesen. Unser Kleines bekam den ersten Backenzahn und hatte scheinbar solche Schmerzen, dass es sich von selbst abstillte…
Eine Woche nach der Geburt, als ich in der Psychiatrie landetet, wollte ich gar nicht mehr stillen. Ich wollte Medikamente. Ich wollte, dass man mich von meinem Leid befreite. Wenigstens ein bisschen. Und da ich nicht ich selbst war, sondern mich zu 100% mit der Gefühlswelt meines inneren Kindes von damals identifizierte, war ich mir wichtiger als mein Kind, zumindest in dieser einen Sache. Man verweigerte mir dies, da Stillen für die Mutter-Kind-Beziehung zu wichtig sei. Die einzig gute Entscheidung, die man damals für mich traf. Denn auch heute noch bin ich überglücklich, dass ich stillen konnte, auch wenn es nur bis kurz vor den ersten Geburtstag möglich war… als dieser Backenzahn kam… und mir einen Strich durch die Rechnung machte…
Über vieles dachte ich nach. Wie lange ich wohl stillen würde. Was ich machen sollte, wenn unser Kind nicht aufhören wollte. Das Kind mit vier Jahren immer noch stillen? Was ist, wenn es in den Kindergarten geht? Aber nie machte ich mir Gedanken darüber, wie es sein würde, wenn mein Kind schon viel eher als von mir gewünscht, selber die Entscheidung, nicht mehr an der Brust trinken zu wollen, trifft.
Wirklich, als wäre es gestern gewesen. Ich spüre den Schmerz wieder; die Trauer, unter der ich so litt; die Selbstzweifel. Hatte ich etwas falsch gemacht? Habe ich mir über so viele Wochen nicht ausreichend Mühe gegeben? Hätte ich mehr tun können? Hätte ich etwas anders machen sollen?
Zwei Wochen pumpte ich Milch ab und gab sie ihm zu trinken; die Menge, die es wollte, wurde immer weniger. Zwei Wochen bot ich intensiv die Brust an. Nach vier Wochen gab ich auf und resignierte. Und wieder laufen die Tränen, auch wenn es heute okay ist. Aber ich weiß, wie schwer mir alles viel.
Plötzlich war diese eine Sache, die nur ICH bieten konnte, nicht mehr da. Einfach weg. Ausgelöscht. Von heute auf morgen. Ohne Vorankündigung. Einfach so. Diese innigen Momente, die enge Zweisamkeit. Dieser Schutz, diese Geborgenheit. Ich glaube heute, dass mir dies in der Folgezeit mehr fehlte als unserem Kind.
Ich weinte, trauerte, kämpfte. Sah ich andere stillende Mütter, brach mein Herz in zig Einzelteile. Der Schmerz war so bitter.
Die vielen Kommentare auf meinen Hilferuf im Internet machten es nicht leichter, im Gegenteil, meine Schuldgefühle wuchsen. Nur ein Hinweis sollte mir helfen. Eine Stillberaterin aufzusuchen.
Zu einem persönlichen Treffen kam es nie. Die Angelegenheit war nach drei E-Mails erledigt. Ich bin für diese von Gott gesandte Frau ( und ich bin nicht auf diese Art und Weise gläubig) sooooo extremst dankbar, ich kann es gar nicht ausdrücken. Ich kann das wirklich nur jedem ans Herz legen. Ihre Worte gaben mir so viel Trost. Das, was ich so dringend gebraucht habe.
Gott, unglaublich. Das Thema wirkt bis heute. Ich sitze hier und weine Krokodilstränen. Man, die Zeit war so hart.
Dank ihr weiß ich heute, dass ich alles richtig gemacht und mein Bestes gegeben habe. Und vor allem, dass jeder Weg, den eine Mutter mit ihrem Kind geht, was dieses Thema angeht, richtig ist; es nicht diesen einen Weg gibt.
So große Sorgen hatte ich mir gemacht, wie das jetzt mit dem Einschlafen wird. Wir sangen und streichelten das Köpfchen und es klappte vom ersten Tag an! Zu Beginn dauerte es schon mal eine Stunde, aber das war egal. Es konnte ohne Brust einschlafen.
Bis heute funktioniert das gut; mal singen, mal summen, manchmal nur kuscheln, manchmal die Spieluhr; Hauptsache Mama oder manchmal auch Papa 😀 ist da.
Und für mich das aller Schönste! Ich habe andere innige Wege gefunden. Ich spüre die Geborgenheit und den Schutz, den ich auch so bieten kann, wenn es sich wieder einmal verletzt hat, oder es traurig ist, über irgendetwas. Dann spreche ich beruhigend, erzähle von mir und meinen Fehlern und was mir so passiert, kuschle, wiege, und manchmal bin ich auch einfach nur da. Ganz ohne große Worte und Taten. Ich bin einfach da und begleite es. Immer. Und daran werde ich nichts ändern <3
Stillen ist etwas Wunderbares. Ich kann es jeder Mutter nur empfehlen, sofern es möglich ist. Dieses Gefühl ist für mich heute noch unbeschreiblich.
Die, die damit ringen, nicht zu stillen, entscheidet euch für euer Kind. Ich bin den Ärzten so dankbar, die mir diese Entscheidung abnahmen. Und für die, die nicht können, dank der Technik etc. von heute, ist dies möglich und dafür kann mehr sehr dankbar sein. Auch ich bin ohne Muttermilch groß geworden, aber ich denke trotzdem, dass es für meine Entwicklung besser gewesen wäre und ich heute vielleicht ein paar Probleme weniger hätte.
Es ist einfach von der Natur vorgegeben. Und auch wenn wir Technik besitzen, Autos bauen, in Häusern leben, Zahlen und Sprachen entwickelt haben, funktionieren wir immer noch ganz archaisch. Und früher, und das ist noch nicht einmal so lange her, gab es keine Ersatzmilch, war auch nicht immer eine Amme in der Nähe. Da war stillen noch überlebensnotwendig. Das Überleben kann heute anders gesichert werden, aber notwendig ist es dennoch. (Vielleicht versteht der eine oder andere, was ich meine, wenn er meine Geschichte liest… von meinem Weg in den letzten Monaten, meinen Ängsten, die ich mit mir rumschleppe).
„Stillen ist mehr als Ernährung.“
Euer Kopfflüstern
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