Ganz ehrlich? Keine Ahnung. Ich weiß, was mich so umtreibt, aber ich weiß nicht, wer ich bin; manchmal weiß ich auch nicht wie viele. Das schreibt man doch jetzt getrennt? Wie viele?
Jedenfalls hatte ich immer wieder Phasen mit dem Bedürfnis, all das, was mir durch den Kopf geht, oder besser rennt, durch meine Gehirnwindungen kracht und rumpelt, niederzuschreiben. Raus damit, weg. In die Welt hinaus damit, auch irgendwie in der Hoffnung, Menschen zu finden, denen es ähnlich geht?
Ich weiß nicht, heutzutage bloggt doch jeder. Da weiß der Internetnutzer doch gar nicht mehr, was er noch lesen soll. Was braucht es mich da noch? Einerseits möchte ich andere finden, andererseits, muss es gar nicht gelesen werden. Ich möchte verarbeiten. Aber auch mein Wissen, und ich habe mir, gewollt oder ungewollt, einiges angeeignet, weiter geben. Schon solange bin ich hin- und hergerissen.
Heute dachte ich mir, ich tu es einfach und schau, wohin es mir führt. Mal nicht alles durchdenken und abwägen, einfach tun, einfach machen. Denn was gibt es Gutes, außer man tut es?
Also, wer bin ich?!?!? Eine verkrachte Existenz? Ein verkanntes Genie (ich muss selber lachen)? Ich weiß es wirklich nicht. Und schon lange hatte ich das auch nicht mehr, dass ich mich und die Welt wieder gänzlich infrage stelle. Wer bin ich? Was soll ich hier? Ergibt das hier alles noch Sinn? Wohin führt das alles? Ja, klar, dass Leben hat den Sinn, dem ich ihn gebe… blablabla… ich habe manchmal das Gefühl, dass Menschen, die solche Sätze in die Welt raushauen, gerade keine wirklichen Probleme im Leben haben. Natürlich stimmt das, aber wenn es so leicht umzusetzen wäre, wäre die Menschheit dann nicht glücklicher? In sich ruhender?
Nie hätte ich gedacht, dass mich das heute wieder ereilt. Das letzte Mal, als dies passierte, da war ich U30. Jetzt bin 33, Mutter, Tierärztin und der Rest eine lange Geschichte. Sehr lang. In einem Film hätte solch eine turbulente Geschichte wenigstens ein Happy End. Aber ich weiß nicht, ob meine Geschichte noch eins haben wird. OK, hört sich jetzt düsterer an, als es vielleicht scheinen mag. Auch gute Zeiten gehörten zu meinem Leben, aber der andere Part überwiegt irgendwie. Denke ich. Auch wenn ich aus jedem Tief, etwas gewinnen konnte, ändert das nichts am erlebten Schmerz.
Jedenfalls fühle ich mich heute wieder wie 20 oder irgendwo in der Drehe. Weltschmerz, Gott, dass sollte doch in die Jugend gehören und Ü30 keine Rolle mehr spielen, oder?, und innere Zerrissenheit dominieren meine heutiges Gefühlsleben. Ich habe das Gefühl, ich explodiere. In meinem Schädel sind so viele Gedanken, dass es unangenehm ist. Fragen über Fragen und das Leben bleibt mir die Antworten schuldig. Bis heute.
Bis zur Mitte der Schwangerschaft glaubte ich, wenigstens einen Teil von mir zu kennen. Nun seh ich in den Spiegel und frage mich ernsthaft, wer diese Frau da wirklich ist. Wer ist sie, außer dem ärztlichen Stempel der generalisierten Angsterkrankung und der histrionischen-abhängigen Persönlichkeitsstörung (ich muss schon wieder lachen; ich glaube, in dieser Klinik, in der ich war, macht man aus jeder Charaktereigenschaft eine Persönlichkeitsstörung, war irgendwie faszinierend). Was macht mich aus? Heute bin ich irgendwie nur die Summe meiner Gedanken und dieses Gefühl aus Weltschmerz und innerer Zerrissenheit.
Mit dem Wechsel aufs Gymnasium fing irgendwie alles an. Mobbing, Rückzug, soziale Phobie, Suizidgedanken. Dann kam die Freude über das Abitur, endlich raus aus dieser Qual, weg von diesen Menschen, die mir so weh taten und mich so sehr veränderten. (Ja, ich ließ mich verändern. Ich frage mich bis heute, wie hätte es anders laufen können; hätte mir nicht jemand helfen sollen/dürfen?).
Dann unzählige Dinge, die ich begann und abbrach. Tierheilpraktiker, Herz- und Todesangst, dann doch Studium, durchgequält bis zum Ende; zwei kurze Arbeitsstellen, 90 Absagen, Schwangerschaft, Geburt, Psychiatrie. Jup, aber was solls. Ist auch nur eine Klinik, eigentlich schöner, teils familiärer, etwas menschlicher, wenn man Glück hat.
Irgendwo auf diesem Weg habe ich mich verloren, wenn ich mich jemals überhaupt hatte. Klingt strange, ist aber so. Ich weiß absolut nicht, wer ich bin und was ich kann. Ja, das Studium, aber ich bin arbeitssuchend oder sowas in der Art. Ja, mein Kind. Und ja, es ist irgendwie das Einzige in meinem Leben, für das ich Stolz empfinde. Es begleitet mich auf eine unglaubliche Art und Weise auf dieser Reise nach mir selbst. Denn das ist es, was ich suche. Ich suche mich.
Und dieses Gefühl, nicht richtig zu sein, dass irgendetwas fehlt, ist eigenartig. Es macht mich geringfügig ver-rückt. Nun gut, sitze ich eben für heute an einem andere Platz. Es ist sowieso gut, den Blickwinkel zu ändern.
Euer Kopfflüstern.