Je mehr ich Jesper Juul lese und je mehr ich Vlogs von Menschen ansehe, die ihr Kind auch begleiten und nicht erziehen, umso mehr verstehe ich, warum ich nicht weiß, wer ich bin. Mir wird immer bewusster, was der Umgang mit mir in meiner Kindheit angerichtet hat. Ich versuche das immer ganz schuldfrei zu betrachten. Wenn ich aber Zeiten habe, in denen ich sehr leide, überkommt mich manchmal Wut, viel Wut. Wut, dass man mit mir so und nicht anders umgegangen ist. Traurigkeit. Viel Traurigkeit und Schmerz darüber, dass ich bis heute noch die Fehler der anderen so ausbaden muss.
Unser Umgang mit unserem Kind ist sicherlich nicht frei von Erziehung, wir lernen jeden Tag dazu. Aber mich macht es glücklich und vor allem frei, unser Kind so sein zu lassen wie es ist. Ich möchte keinen anderen Menschen aus ihm machen. Und genau das passiert aber durch Erziehung. Ich forme den Menschen nach meinem Bilde. Er muss so sein, wie ich es möchte.
Das macht mich sehr traurig. Es ist, wie es ist. Aber wie wäre ich wohl, wenn ich nicht erzogen wurden wäre? Wäre ich frei von den Ängsten, die mich jetzt plagen? Würde ich als Tierärztin arbeiten können? Würde ich nicht ständig versuchen, es anderen Recht zu machen? Würde ich für mich einstehen? Würde ich mich lieben, so wie ich bin?
Ist das nicht traurig, dass ich all dies bis heute nicht kann? Sind sich die Menschen überhaupt bewusst, was sie anrichten? Wer wären wir, wenn unsere Eltern und Großeltern uns nicht versucht hätten zu verändern, indem sie uns sagten, Du musst Dich so und so verhalten; das darfst Du nicht, das gehört sich nicht. Wären die Menschen vielfältiger? Bunter? Freier? Gäbe es weniger Traumata?
Jedenfalls trauere ich um den Anteil in mir, der nie der sein durfte, der er war. Und diese ganze Erziehung, Manipulation, hat so lange angedauert, dass ich mich heute selber nicht kenne. Wer steckt hinter dieser generalisierten Angststörung? Wer bin ich, was macht mich aus?
Bin ich gern unter Menschen, weil ich sozial bin oder weil ich Angst habe alleine zu sein? Liebe ich Tiere so sehr ihretwegen oder weil Menschen mich zu sehr verletzt haben? Bin ich akribisch, weil ich gut sein möchte, für mich oder weil ich Angst vor Kritik habe? Wäre ich ohne meine Selbstzweifel und soziale Phobie die Tierärztin, so wie ich sie mir erträume?
In einem bin ich mir sicher. Ich werde die Fehler meiner Vorfahren nicht wiederholen. Ich werde dem ein Ende setzen. Auf meinen Schultern lastet das Leid vieler Generationen und ich bin nicht bereit, dies an unsere Kinder weiterzugeben.
Und wie ist es bei Dir? Erziehst Du noch oder begleitest Du schon? (Gott, werbungsgeschädigt ist die auch noch ;D )
Euer Kopfflüstern
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