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Soziale Phobie

von | 12. April 2019 13:34 | 0 Kommentare

zuletzt aktualisiert am 12. April 2019 13:34

Als aufgeschlossene, lebensfrohes Kind, welches in der Klasse zu allen Kontakt hatte, verließ ich die Grundschule. Etwas verunsichert betrat ich das Gymnasium, da ich keine Klassenkameraden mitbrachte. Und damit war ich leider allein. Ich fand mich nur schwer ein, hatte nur vereinzelte Kontakte, zog mich früh schon geringfügig zurück und kämpfte auch mit ersten Hänseleien.

Mit der Pubertät verlor ich dann auch den Bezug zu den wenigen Mädels, die mir bis dahin noch blieben. Klassenkameraden führten mich vor der gesamten Klasse vor, der Inhalt meines Ranzens wurde im Zimmer verteilt, man machte sich im Bus über mich lustig… ich zog mich mehr und mehr zurück, begrenzte Kontakt zu anderen auf ein Minimum.

Man würde vielleicht meinen, Mobbing sein schlimm. Ist es auch, aber die Folgen sind, zumindest war es bei mir so, viel gravierender gewesen als das Mobbing selbst. Im Supermarkt nach der Butter fragen, war für mich nicht mehr möglich. Irgendwo anrufen und einen Termin vereinbaren, auch nicht mehr. Menschen auf Straße ging ich aus dem Weg, wechselte die Straßenseite, nahm Umwege in Kauf. Ich hatte Angst angeschaut zu werden, mich zu versprechen, Angst ausgelacht zu werden. Was würde passieren, wenn ich plötzlich nicht mehr weiß, was sagen soll? Mir schossen unendlich viele Gedanken durch den Kopf und führten mich immer wieder zu Vermeidung.
Viele Jahre führte ich so ein sehr eingeschränktes Leben und litt still vor mich hin. Dabei war ich doch immer gern unter Menschen gewesen.

Wann es besser wurde, weiß ich nicht mehr. Eines Tages gab ich am Telefon einfach die Nummer ein und nahm den Hörer ohne zu überlegen ab. Ab da wurde es besser, Stück für Stück. All die Sorgen und Ängste gar nicht erst aufkommen lassen, ihnen keine Chance geben. Im Supermarkt tat ich das gleiche und fand nach geraumer Zeit sogar gefallen daran, wieder Kontakt zu anderen Menschen zu haben, Minigespräche zu führen.

Bis heute bin allerdings ohne nahe Kontakte, bis auf einen, den ich auch meinen besten Freund nennen darf. Grundschulkontakte verlor ich alle durch den Wechsel aufs Gymnasium, neue Kontakte zu schaffen, machte mir die Phobie quasi unmöglich.

Ich weiß nicht, ob ich deswegen heute noch eher der stille Typ bin. Manchmal bin ich der Meinung, dass ich es nie wirklich gelernt habe, zu kommunizieren, zu reden, Gespräche zu führen. Smalltalk ist für mich eine Herausforderung. Während des Studiums saß ich oft einfach nur stumm neben meinen Kommilitonen und überlegte einfach nur, was ich denn mal sagen könnte, um mich einzubringen. Es war eine Qual. Auch heute noch fällt es mir eben schwer, mich über belanglose Dinge zu unterhalten.

Wenn man bei mir die richtigen Knöpfe drückt, kann ich reden und reden und reden. Leider kenne ich diese Knöpfe nicht all zu genau, daher kommt das auch eher selten vor. Und so ist es auch heute noch der Fall, dass ich relativ stumm in der Krabbelgruppe sitze und ich einfach nicht weiß, was ich sagen kann um mich attraktiver für andere zu machen, um neue Kontakte zu ermöglichen, neue Wege zu finden, um wieder andere Menschen in mein Leben zu bringen, nach denen ich mich aber all die Jahre so gesehnt habe und nach denen ich mich heute noch sehne.

An Tagen an denen es mir schlechter geht als sonst, tritt auch die Phobie wieder auf. Manchmal gehe ich wieder auf Vermeidungskurs, in aller Regel versuche ich das aber zu vermeiden. Gedanken ausschalten und einfach machen. Erst vor zwei Tagen rannte ich regelrecht wieder davon, stellte mich der Situation dann aber doch.

Jahre konnte ich meinen Mitschülern von damals nicht verzeihen. So richtig kann ich das wahrscheinlich heute noch nicht, aber ich habe damit größtenteils abgeschlossen. Wäre ich damit anders umgegangen, hätte mich stark für mich gemacht, wäre es anders gelaufen. Jeglichen Kontakt habe ich abgebrochen, bin nie auf ein Klassentreffen, zu groß war die Angst einfach erneut verletzt zu werden. Letzten Endes ist auch das wieder nur Vermeidung, aber ich denke, gewisse Dinge muss man sich einfach nicht antun.

Seid empathisch, geht sorgsam mit euren Mitmenschen um. Falscher Umgang kann Spuren für das ganze Leben hinterlassen.

Euer Kopfflüstern

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