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Tod einer Samtpfote

von | 20. August 2024 10:01 | 0 Kommentare

zuletzt aktualisiert am 20. August 2024 10:01

Leichen zu zerschneiden (Anatomie, Patho…), zu präparieren, sie makroskopisch und mikroskopisch anzuschauen, ist die eine Sache (und ich mach das echt gern, der Tod, Medizin….das hat mich alles schon immer fasziniert). Aber zu erleben, wie ein Lebewesen stirbt, ist die andere.  

 Ich hatte heute Morgen wieder das „Glück“ mitzuerleben, wie das Auto vor mir eine Katze anfuhr, die sich dann querschnittsgelähmt an den Fahrbahnrand schleppte. Bei mir setzt dann immer irgendetwas aus und ich bin in einem Modus, in dem ich alles andere um mich herum vergesse, so auch, dass ich mich eigentlich auf dem Weg befand, die Große in die Schule zu bringen (immerhin noch gute 30,im Fahrt). 
Erst griff ich noch zum Handy, um eine Praxis ausfindig zu machen, aber dann überkam nicht das Gefühl, dass das nicht mehr nötig sein wird, also ging ich zu Miez. Es ist eigenartig, das Leben aus einem anderen Lebewesen weichen zu sehen. Und es macht einen gewaltigen Unterschied, ob Lebewesen in Ruhe gehen dürfen oder ob der Tod mehr oder weniger gewaltvoll stattfindet.
Ihre Atmung war schon ganz unregelmäßig, vom Herz brauchen wir gar nicht erst zu reden. Es kam mir wie eine Ewigkeit vor und irgendwie gab es nur ich und dieses Tier. Es dauerte keine Minute, dann tat sie ihren letzten Atemzug. Was mich immer am meisten berührt, ist, wenn der Blick sein Leben verliert und die Pupillen so riesig werden. 

Gott, ich kann das nicht. Ich kann nicht nicht traurig sein, über dieses Leben, was nun nicht mehr ist. Konnte ich vor dieser Katze nie und ich werde es wahrscheinlich auch danach nicht können. So bin ich eben. Verbunden mit den Dingen, irgendwie. 

Im Grunde hab ich es schon gespürt, dass der Tag anders wird, als es mit der Fahrgemeinschaft nicht klappte. Aber ich hab das kleine Gefühl wieder beiseite geschoben. Ja, ich glaube an den Sinn hinter den Dingen, aber es kotzt mich verdammt nochmal an. Jetzt sitze ich wieder hier, mit einer fetten Sinn/Glaubens-/irgendwasKrise, zweifle mich, mein Leben, die ganze Welt an und möchte am liebsten alle Zelte abbrechen, ans Meer und nachdenken und meine Ruhe haben. Könnte ich alleine sein, würde ich das wahrscheinlich auch machen. 

Im Moment scheint es in keinem Bereich meines Lebens so richtig rundzulaufen. Bei der F+ (zur Lösung eines (?) sexuellen Traumas an anderer Stelle mehr) steig ich nicht durch, mein mentaler Zustand (ich bin derzeit nicht therapiefähig, muss mein Leben umkrempeln und Störfaktoren beseitigen), die Kindern triggern und die Verantwortung dafür liegt bei mir (die Kleine will nicht bei der Tagesmutter bleiben..), meine Ehe (keine Zeit für Sex und dergleichen, ich geh 19 Uhr mit den Kindern ins Bett, um Schlafhygiene zu betreiben und einigermaßen klarzukommen, so hoffe ich zumindest), Haushalt (ähm, was ist das…. ich bin nun in Pflegeberatung und will mir für die Zukunft eine Entlastungspflege „besorgen“…. und da denke ich noch nicht mal an Beruf(ung)…, Freunde (weiß nicht, wir haben uns bisher nur mit Kindern getroffen, ja, die Große ist nun in der Ganztagsschule…). Mich verloren zu fühlen, ist gar kein Ausdruck. Ich möchte am Meer sitzen, gehalten werden von jemandem, der mich und meine ganze Last aushält, Sleeping Lotus hören und einfach schreien und weinen. Ich fühle mich so unendlich einsam und alleine gelassen. 

Vorsicht, Gedankensprung. Ich sah neulich ein Video. Quintessenz, wenn wir alle, alle, die wir auf dieser Welt sind, die Orte, die wir betreten, besser zurücklassen als wie wir sie vorfinden, in was für einer geilen Welt wir leben würden. Aber nein, stattdessen schimpft Peter über Max und Max über Henriette. Anstatt alle mal ein bisschen mehr Selbstfürsorge betreiben und sich reflektieren und vor der eigenen Haustüre kehren, sind wir immer mit anderen beschäftigt. Der Nachbar wird es schon machen, die Politik wird es schon richten. Aber wir tragen doch alle einen gewissen Teil der Verantwortung. Für unser Leben im vollen Umfang, für unsere Kinder, Menschen, die unsere Hilfe brauchen, für den Planeten. 
Nein, ich kann nicht beeinflussen, dass andere Länder ihren Müll im Meer abladen, aber ich kann sehr wohl meine Kippe im Müll vor Ort entsorgen… und es gibt sogar Taschenaschenbecher. Wo ist das Problem, wenn man Plakate entfernt, die alten Kabelbinder zu entsorgen. Wie egal Menschen sich selbst zu sein scheinen und sie sich scheinbar für kaum etwas um sicher herum interessieren, bleibt mir unbegreiflich. Öfter frage ich mich, wo es hängt. Zu sehr mit sich und ihrem Leben beschäftigt?…das bin ich auch. Und wie. 

Nun ja, nun sitze ich seit fast 3 Stunden hier. Wo komme ich her, wo stehe ich und wo will ich hin. Vielleicht unklarer als ich dachte. Vor allem, wen nehme ich mit, wen nicht. Wer will mich wirklich in seinem Leben und wer nicht. Wer bin ich, wer will ich sein, was will ich leisten, was bin ich überhaupt imstande zu leisten. Was kann ich tun, für xy?

Ich sehne mich so sehr nach diesem inneren Frieden, nach diese Ruhe. Aber es wird wohl noch dauern. Und dann sollte man, ich, mich vielleicht nur mit Menschen umgeben, die mich wollen und mit Dingen befassen, die mir Energie geben, statt sie mir zu rauben. 

Stellen „normale“ Menschen sich eigentlich auch solche Fragen?

Müde, dass bin ich. Und trotzdem werde ich nachdenken, es wird mich nicht locker lassen. Im Dezember war ich so unglaublich nah dran, diese Katze zu sein. Ich wäre ziemlich unzufrieden von dieser Welt gegangen. Und das will ich nicht. 

 

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