Seite wählen

„Es darf mir nicht gut gehen“

von | 16. Juli 2025 08:52 | 0 Kommentare

zuletzt aktualisiert am 16. Juli 2025 08:52

Jeder hat sie. Glaubenssätzen. Überzeugungen über sich selbst, andere und darüber, wie die Welt funktioniert. Sie können also durchaus sehr individuell sein, da jeder seinen Realität hat, seinen Blick auf die Dinge. Aber viele haben dennoch ähnliche, gleiche Glaubenssätze. Ich bin nicht gut genug, andere sind immer besser als sich, ich muss so und so sein, damit ich geliebt werde. Grund, Glaubenssätze entstehen oft in der Kindheit. Zumindest dieses, ich bin nicht gut genug. Und die letzten Generationen sind da ziemlich gleich aufgewachsen. Liebe war scheinbar immer an irgendwelche Bedingungen geknüpft, Kinder hatten und haben heute noch zu funktionieren. Eltern erschaffen sie irgendwie nach ihrem Bilde. Ich kann selbst davon ein Lied singen.

„Es darf mir nicht gut gehen“. Darauf stieß ich im Rahmen meiner Traumatherapie bei Frau S. Ein seeeeehhhhhrrr starker und hartnäckiger Glaubenssatz. Woher? Kindheit. Wie genau er entstand, woher ich ihn übernahm, weiß ich nicht genau, aber ich kann es mir etwas denken. Erst die Arbeit, dann der Vergnügen. U.a. Meine Eltern leben heute noch danach. Never again.

Jedenfalls war das Ding so stark, dass ich vorm Radio stand, wusste, ich brauche jetzt Hintergrundgeräusche, weil ich bei der Stille im Raum durchdrehe. Und ich konnte dieses Teil nicht anmachen. Ich stand wie vor einer unsichtbaren Mauer. Es war unglaublich. Es ging einfach nicht.

Das erzählte ich natürlich meiner Therapeutin, da ich mich ja um mich kümmern sollte. Sie machte

dann mit mir eine Übung. Ich sollte auf einen Stuhl klopfen, im Takt, sie flüsterte mir negative ausgewählte Ding ins Ohr, während ich immer wieder dieselben drei Sätze wiederholte. Ich bin frei… genauer weiß ich es leider nicht mehr, die SN, die ich meinem Mann immer nach den Stunden mache, die eine, finde ich nun nicht mehr. Aber wir hatten vorher darüber gesprochen, was sich da richtig anfühlen könnte. Ich wurde mit der Zeit immer lauter, meine Schläge auf den Stuhl immer stärker. Das wars. Ich kam nach Hause und aus die Maus. Also mit dem Glaubenssatz, zumindest, was das Radio betraf. Es ging, wie von Zauberhand.

Alles war damit nicht gegessen, aber die Nummer mit dem Radio, die mich echt gequält hatte. Mir kommt nämlich gerade so in den Sinn, dass es nicht nur der Glaubenssatz ist, der da wirkte, sondern, und das bis heute, innere Anteile, die mich meine Grenzen ignorieren lassen und mir Dinge abverlangen, die ich nicht leisten kann. Das würde zumindest einiges erklären. Und diese Art von Härte habe ich in meiner Familie gelernt. Hässliche Angelegenheit.

Dann kam Merseburg. Dieses Jahr. Gleiche zu Beginn, ging die Gruppe in der Selbstwertstunde, ein Arbeitsblatt durch. Kosten-Nutzen-Rechnung von Glaubenssätzen. Und wie ich so bin…. ich hab mir gleich ne Kopie geholt, was auch gut war. Denn mir würde das erst wieder gegen Ende der Zeit dort begegnen, ich hatte sauber Sorge, dass das nicht der Fall sein könnte. Und so war es dann auch 😀

In Kunst malte ich dann irgendwann meinen Glaubenssatz. Oder kam erst der große Knall. Hm, weiß ich gar nicht mehr so genau.

Ich glaube, ich hab etwas dazu in den Tagesbericht geschrieben. Suche ich jetzt nicht raus.

Irgendwann saß ich dann so für mich vor dieser Kosten-Nutzen-Rechnung und begann den Zettel langsam auszufüllen. In der Spalte, was der Satz sich anrichtet, krachte es dann. 🤯Jaaa, das war wieder einer dieser Momente, in dem die letzte Hirnwindung etwas begriff. Ich hab geheult, ohne Ende. Ich war von Entsetzen darüber, wie ich mit mir umgehe, komplett erfüllt. „Durch den Glaubenssatz aktivierte Emotionen“, so hieß die Spalte, in der es bei mir blubb machte. Mir war schlagartig bewusst, dass dieser Glaubenssatz mir in keinster Weise guttut. Ich setze ihn mit Selbsthass gleich. Mit Wut gegen mich selbst, einer unglaublichen Härte mir gegenüber, mit Selbstbestrafung, Selbstgeißelung. Ja, ich war sehr entsetzt und nie zuvor hatte ich jemals so viel Mitgefühl mit mir.

Es gibt dann noch Spalten zu Vor- und Nachteilen. Und dann, on man den Glaubenssatz behalten oder abgeben will. Und was zu wie vielen Prozentanteilen. Dann die Begründung dazu. Und dann der neue Glaubenssatz. Herr irgendwas, ich hab seinen Namen mittlerweile vergessen, tadelte mich dann, dass ich das ja immer noch nicht so gut kann, und meiner neuer Glaubenssatz nicht stimmt. Man könne da Zwischenstufen vergeben, sowas wie… ja, ich komm gerade nicht drauf. Aber nö, ich bin eine mündige Patientin und treffe meine Entscheidungen da selber. Und beließ es so: Ich muss mich um mich kümmern. Erst dachte ich, dass Muss macht echt viel Druck. Dachte ne ganze Weile immer wieder darüber nach. Aber nein, es ist kein Druck. Es ist meine Pflicht, dass ich das tue, so gut ich es kann, denn es ist eine Notwendigkeit, denn andere werden es nicht tun.

Oh ja, der Nachmittag war hart. Den werde ich auch so schnell nicht vergessen. Ich hatte da das Doppelzimmer noch für mich alleine. Und ich hab bis zum Abendbrot dort wirklich gegessen und wimmer wieder geweint. Das war ein Durchbruch. Nein, es klappt nicht immer, manchmal grätscht mir da tatsächlich wieder irgendwas rein, aber es ist ein deutlicher Unterschied. Und oft merke ich das und weise den Anteil dann zurecht. Und manchmal brauche ich die Erlaubnis meines Mannes, dass ich mich um mich kümmern darf. 🤷🏾‍♀️

Das Problem an solchen Glaubenssätzen ist, es sind auch selbsterfüllende Prophezeiungen. Wir gehen mit dieser Glaubenssatz-Brille durch die Welt, schauen auf eine ganz bestimmte Art und Weise auf die Dinge und deshalb werden wir unser Denken auch immer wieder bestätigt finden. Siehe Watzlawick. Daher ist es wichtig, dass wir uns unserer Gedanken, unserer Annahmen bewusst werden. Dann sind wir in der Lage sie zu überprüfen und wir werden feststellen, dass sie in der Regel nicht stimmen. Es sind erlernter Denkmuster, nicht mehr. Und Denken lässt sich steuern. Klar, gibt es Bereiche da sind wir gut. Und ja, dann gibt es Bereich, da sind wir nicht gut. Aber und vielleicht auch nicht gut genug, um… Aber das ist menschlich. Und den anderen geht es auch so. Aber wir sind nicht nur, nicht gut genug. Und schon gar nicht, müssen wir etwas leisten, um geliebt zu werden! Das ist keine Liebe…

Leider machte es nicht immer so schön blubb und dann geht plötzlich vieles um einiges besser. Das ich nicht gut genug bin, dass meine Körper nicht okay so ist, wie er ist etc pp… vieles habe ich mir seit der PTBS hart abtrainiert. Und das ist ein Weg. Der braucht Zeit und Kraft. Aber es lohnt sich. 😌

0 Kommentare

Einen Kommentar abschicken

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert