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Ambivalenz

von | 12. April 2019 23:27 | 0 Kommentare

zuletzt aktualisiert am 12. April 2019 23:27

„…bezeichnet einen Zustand psychischer Zerrissenheit. Dabei bestehen in einer Person sich widersprechende Wünsche, Gefühle und Gedanken gleichzeitig nebeneinander und führen zu inneren Spannungen. … gegensätzliche Erlebenszustände gleichzeitig ertragen zu können.“ (Wikipedia)

In mir toben manchmal Gefühle und Gedanken, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Zerrissenheit bringt es auf den Punkt. Wobei ich manchmal auch das Gefühl habe, es zerreißt mich wirklich. 

Es war erst diesen Montag wieder. Gruppentherapie, innere-Kind-Gruppe. Ich fahre nichts ahnend hin und heulend, völlig durch den Wind wieder nach Hause. Es gab dieses Mal kein Thema, den Dingen wird also freien Lauf gelassen. Und manchmal führt es mich in Gegenden, in die ich nur ungern gehe. Genau! Die Ecken, die ich gerne einfach mal links liegen lasse 😉 
Wie das Gespräch auf mich kam, habe ich auch schon wieder erfolgreich verdrängt; den Rest aber nicht. 
Ah, ich erinnere mich, es ging um zerrüttete Familien, dass ich zu gerne ein Geschwisterchen gehabt hätte und da kam der Tipp, unserem Kind eines zu gönnen. BAM! Ambivalenz! Auf der einen Seite eine liebende Mutter, die zu gern noch einmal ein Kind hätte, in der Hofffnung, diesmal alles von Beginn an genießen zu können; eine Mutter mit dem Gedanken, an dem zweiten Kind noch viel mehr wachsen zu können. Auf der anderen Seite ein kleines panisches Kind, welches diesen Weg durch die Hölle um keinen Preis der Welt noch einmal gehen möchte. Und ich mittendrin. Das krasse war, erst fiel mit diese Ambivalenz gar nicht auf, als säße ich am Rande einer Bühne und schaue zwei Figuren bei einem Streitgespräch zu. Erst als das Wort Ambivalenz fiel, wurde mir wohl klar, dass ich Teil des ganzen Spektakels bin. Und im Grunde in einer echt bescheidenen Positon stehe. 

Tja, ich hab den Konflikt bis jetzt nicht lösen können. Ich übe mich in Geduld und hoffe, dass die Zeit Rat bringt. Denn egal wie rum ich den Spieß drehe, ich bleibe zwischen beiden Stühlen stehen. 
Ist schon lustig. Ich dachte mir gerade, ich möchte derzeit keine Entscheidung treffen, aber ich glaube viel mehr, dass ich es nicht kann. Keine Ahnung, ist manchmal etwas abgefahren. 

Den Tag zufuhr passierte mir etwas Ähnliches. Eigentlich wollte ich mit unserem Kind auf den Spielplatz. Anders als erwartet, und genau meine nicht erfüllte Erwartung war vielleicht auch das, was mich dann triggerte, war viel los. BAM! Soziale Phobie auf Maximum. Es ist aber auch manchmal echt zum, Entschuldigung, kotzen. Das geh ich meiner Wege und plötzlich finde ich da ein kleines Kind vor, was wieder Angst hat von seinen Mitschülern gemobbt zu werden und die Flucht ergreift. Boah… 
Ergo, wir drehten um. 

Früher wäre es dabei geblieben. Rückzug, Selbstentwertung, weinen. Diesmal dachte ich mir, nein, nochmal nicht. Ich zügelte meine Gedanken; statt mich zu strangsalieren und mir Vorwürfe zu machen, mühte ich mich um Verständnis, sprach der Kleinen gut zu und ging wieder los. Ein paar Mal hatte ich das Gefühl, man würde mir das Ruder wieder aus der Hand reißen, aber ich wollte unserem Kid nicht vorleben, dass man vor Menschen Angst haben müsse, zumindest nicht vor diesen. Und das war der Punkt, der meinen gesunden Erwachsenenanteil in mir am Leben hielt.
Mein Gott, ich wünschte mir manchmal, mir würde soetwas nicht mehr passieren, aber soweit bin ich wohl noch nicht. 

Wir hatten Spaß, es waren viele Leute da, ich hatte ein nettes Gespräch mit einem Nachbarn (ich und ein Gespräch, zum totlachen…), alles schick. Ich verstehe es einfach nicht und ich wünschte, ich könnte diesem kleinen Kind verklickern, dass es keine Angst zu haben braucht, dass wir jetzt erwachsen sind und uns keine Schulkameraden mehr mobben können. Da fehlt leider der Schalter, in meinem Kopf, den ich umlege, es klickt macht und ich es wirklich begreife, bewusst wahrnehme. 
Wenn ich mir das bildlich vorstelle… da geht eine Mutter, die ihr Kind versucht zu beruhigen und das alles in einer Person. 

Soviel zum Thema Ambivalenz. Da muss ich gerade an den Film Split denken. Ich fand den total genial. Weniger genial und mit mehr Gänsehauteffekt ist es, wenn man wirkklich mal jemanden vor sich hat, der unter einer multiplen Persönlichkeitsstörung leidet.
Ambivalent zu sein, ist nicht das gleiche. Dann gäbe es die Mutter als Persönlichkeit und das kleine Kind auch, beide würden nebeneinander existieren, aber nie zur gleichen Zeit auftreten. So aber sind es nur Gefühlszustände. 
In der Klinik habe ich mich oft gefragt, was besser zu ertragen ist. Komplett gespalten zu sein und von allem nichts mitzubekommen oder es so zu durchleiden wie ich es tat. 

In einer Sache bin ich mir jedenfalls einig, dass ich nun schleunigst das Bett aufsuchen sollte 😉

Euer Kopfflüstern

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