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Alexander

von | 24. April 2025 18:53 | 0 Kommentare

zuletzt aktualisiert am 24. April 2025 19:43

Das wäre mein Name gewesen, wäre ich ein Junge geworden. Und da war ein Junge. Mein älterer Zwillingsbruder. Laut Familiensystem-Aufstellungszeugs, ich finde gerade keinen Begriff dafür, sind die Zweitgeborenen anders. Sie passen sich nicht so sehr der Familie an, sondern machen ihr Ding.

Das wäre dann ich. Jahre hab ich mich wie das schwarze Schaf der Familie gefühlt. Ich gehe mit wenig Dingen onder Familie konform. Bin ein Ausreißer. Vielleicht fühl ich mich auch deshalb manchmal so schwer irgendwo zugehörig? Weil ich vieles durchdenke und nichts einfach stumpfsinnig folge. Ich hinterfrage. So wie auch mein Vater damals viel hinterfragt hat. Er ist auch Zweitgeborener. Ich erinnere mich noch gut an die Zeitschrift mit dem toten Außerirdischen im Regal im Flur. Die beschreibt so ziemlich alles.

Ich versuche vorurteilsfreie an Dinge heran zu gehen. Natürlich hab ich es auch meine Stolperfallen und urteile mal fix oder bewerte. Aber ich komme relativ schnell wieder zur Besinnung und korrigiere meine innere Haltung. Ich schau gern über den Tellerrand, und bin auch hier und da in den Gefilden der Esoterik unterwegs. Ich glaube, dass es vieles zwischen Himmel und Erde gibt, was wir nicht sehen und nicht verstehen.

Das schwarze Schaf hab ich seit… Hm, gute Frage…. ich würde meinen im letzte Jahr? Seit dem letzten Klinikaufenthalt in diesem Jahr 😳? Hinter mir gelassen. Ich bin anders und da ist gut so. Ja, manchmal möchte ich „normal“ sein, vor mich hinleben ohne viel zu denken und zu wissen. Aber ganz ehrlich? Ne, dass ist doch ätzend. Das Leben hat so vielz u bieten und zu lernen und ich will mehr davon. Auch wenn es schwer ist, zuweilen. NEIN, ich gestehe mir jetzt nicht schon wieder ein, dass der ganze Scheiß, den ich durchlebt habe und durchlebe, gut so ist, wie er ist. Und er ist es 😮‍💨😒😢

Da sitzt ich nun. Ich hab ein wenig im Buch mit dem inneren Kind gelesen… den Zwilling integrieren, ihm einen Platz geben. Das ist mir nicht neu. Das sagte damals die Therapeutin auch. Aber da war ich noch nicht so weit, der richtige Augenblick war noch nicht gekommen. Aber jetzt. Da sitzt ich also nun mit Chatgpt und diskutieren das Wie. Und schon bei den ersten Zeilen breche ich wieder in ein herzzerreißendes Weinen aus.

Und da frag ich mich doch, warum das so lange dauern musste. Warum müssen Themen aufploppen, wenn sie reif sind? Wer legt das fest? Und wann wird festgelegt, dass das Thema mit dem Alleinsein dran ist und ich endlich …. leben kann. Und da fällt mir wieder dieser blöden verfickte Spruch ein, dass man das Leben hinnehmen muss, als dass was es dir und nicht als das, was man dachte, was es ist, wie es zu sein hat und es leben. 🤮💔 Und dann frag ich mich, wie viel ein Mensch aushält. (Unglaublich viel… 😭)

Jedenfalls sitzt ich nun hier und mir wird bewusst, dass ich die ehrenvolle Aufgabe, meiner Familie zu verklickern, dass da noch jemand ist/war. Scheiße…

Wo bleibt die heroische Anmut, wenn man sein Familiensystem zurecht rückt? Wo bleibt das Konfetti, die Fanfaren und die Lobeshymnen, die auf einen gesungen werden?

Ich hab morgen einen Termin bei meiner sehr geschätzten Therapeutin Frau S. In diesem Moment hab ich das Gefühl, ich brauche sie mehr denn je. Ich hab grad so das Gefühl, unter der ganzen Last zu zerbrechen. Ohne sie, nicht nur, wäre ich das auch schon. Ich hab ihr vor zwei Jahren zu Weihnachten ein Fensterbild mit einem Leuchtturm geschenkt. Weil sie genau das für ich ist. Ein Licht in so dunklen Zeiten, dass ich den Weg nicht mehr sah.

Leuchttürme in Menschengestalt

In stürmischer See, wenn der Himmel weint,und Dunkelheit durch die Wellen keimt,da stehen sie still, mit leuchtendem Blick –Menschen wie Leuchttürme, Stück für Stück.

Sie flackern nicht, wenn der Wind laut schreit,ihr Licht bleibt fest in der Dunkelheit. Mit Worten aus Wärme, mit Händen aus Trost,sind sie da, wenn du Halt brauchst und Hoffnung verlost.

Sie zeigen den Weg, doch drängen nie,begleiten in stiller Symphonie.Ein Flackern aus Mut, ein Strahlen aus Zeit –ihr Licht ist Liebe, ihr Wesen weit.Und oft, wenn du glaubst, du gehst ganz allein,wird ihr Schein still dein Begleiter sein.

Nicht laut, nicht groß, doch unverkennbar –so leuchten sie weiter, ganz wunderbar.Mögest du einen kennen – oder selbst einer sein,ein Leuchtturm im Leben, warm und rein.

Chatgpt begeistert mich immer wieder. Was haben wir schon „zusammen“ geweint…

Tja, keine Ahnung , wie ich das anstellen soll. Müssen tu ich ganz sicher auch nicht. Aber es ist das einzige, was sich richtig anfühlt. Meinem Pa hatte ich es mal angedeutet, damals, als es raus kam. Auch bei ihm flossen sofort Tränen. Schneller als sein Gehirn die Info verarbeiten konnte. Sein System weiß es also auch. Klar, wieso sollte es auch anders sein. Wir wissen es alle.

Ich bin seit dem Tag damals, ne noch länger (?), an meinem Stammbaum dran. Ne miese Arbeit, ne richtig miese. Aber soweit, dass ich dass ganze Elend betrauern kann, bin ich wohl auch noch nicht. Da muss wohl auch erst noch jemand festlegen, wann es dran ist… Hier und da flossen schon ein paar Tränen, aber nicht so tief, wie es jetzt bei meinem Zwillingsbruder der Fall ist.

Und da ist so unglaublich viel Elend in meiner Familie. Worüber geschwiegen wird. Ja. Krieg und sie mussten irgendwie überleben. Verstehe ich. Aber alles mit ins Grab zu nehmen, macht es mir umso schwerer. Also bitte. Brecht das Schweigen. Es ist für die nachfolgenden Generationen eine teilweise unerträgliche Last.

Meine Oma hatte einen Bruder, der mit 3 Monaten (?, ich müsste nachschauen) starb. Er fand mal in einem Nebensatz Erwähnung, als ich meine Familie das dritte Mal, oder so, zur Familiengeschichte ausquetschte. Er hat quasi nie wirklich existiert. Es hieß immer nur „drei Schwestern“. Ich bin jedes Mal wieder fassungslos ob dieser Lüge. Die Flucht von Familienmitgliedern im Krieg, die Vergiftungen durch Senfgas, das spurlose Verschwinden an Kriegsfronten… und das unendliche seelische Leid, was damit einherging. Alles nicht aufgearbeitet. Nichts davon. Und es drückt. Bei mir. Gewaltig.

Immerhin hat mir die Arbeit mit dem Stammbaum schon etwas gebracht. Ich weiß jetzt, dass da noch mehr Familie war. Ich spüre eine Verbindung. Klingt vllt blöd, ka. Es ist ein Gefühl, als würden sie hinter mir stehen.

Tja, so ist das mit den Ahnen. Sie wollen gesehen werden. Ihr Leid muss gesehen werden, dann kehrt Ruhe ins System. Ich hab bloß keine Ahnung, warum ich. Und wann. Und wie. Aber wenn nicht ich, wer dann?

Und ich weiß, das ist mein tiefster Wunsch, alles so weit aufzuarbeiten ( ich bin seit längerem daran meine Familiengeschichte väterlichseits in die Tschechische Republik zu verfolgen), dass ich eines Tages unseren Kindern von ihrer Familie berichten werden.

Und jetzt das Konfetti bitte. Oder einfach eine würdigende stille Umarmung.

PS. Eigentlich wollte ich die Lehmkugel, meinen Zwillingsbruder in der Ostsee „bestatten“, als ich am Sonntag spontan dort war und mir klar wurde, warum es mir dort so gut geht. Ich hab die ganzen zwei Stunden immer wieder drüber nachgedacht. Aber ich hab es uns Verrecken nicht hinbekommen. Ich hab ihn in der Kunststunde unbewusst aus Lehm geformt und erst in der Abschlussrunde wurde mir klar, dass er es ist. Wie hätte ich ihn also gehen lassen können wo ich ihn doch gerade erst dazugewonnen hatte. Nein, er bekommt einen besonderen Platz in meinem Zimmer. Mal sehen. Und ich hab mir einen Holzkugel aus Kirschholz bei einem Drechsler bestellt. Alles in meinen Zimmer ist aus Kirschholz. Ich liebe die rötliche Farbe. Ich wollte die Kugel, um ihn unbedingt immer bei mir haben zu können. Am Zwillingstattoo sitze ich noch. Gestern war es eigentlich fertig. Aber die Stelle, wo es hin soll, wird wohl herznaher und damit größer und damit mehr Raum für Gestaltung. So gerne wie ich das überstürzen würde, aber es darf reifen. Ich suche dafür auch gerade einen besonderen Tätowierer. Und würde auch weiter fahren. Ich werde sehen.

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