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Scham und Schuld

von | 13. Oktober 2024 09:56 | 0 Kommentare

zuletzt aktualisiert am 13. Oktober 2024 09:56

Auf das Thema stieß ich als ich das zweite Buch von Gabriele Kahn las… Sexuelle Komplextrauma. Vorher waren Scham und Schuld natürlich auch Bestandteil meines Lebens, aber sie waren mir nicht bewusst.

Und ich meine nicht die Scham, die in die aufkommt, wenn dir vor den Augen der anderen irgendetwas Unangenehmes passiert und du dich in Grund und Boden schämen könntest. Nein, ich meine die Art von Scham, die dich von innen heraus zerfrisst, mit massiver Traurigkeit verbunden ist, im Grunde die Schuld schon wieder triggert oder einfach im Gepäck mit sich bringt, die, die doch leiden lässt und sich nur schwer abschütteln lässt.
Und ich meine auch nicht die Schuld, die dich einholt, weil du einen Fehler begannen hast. Nein, ich meine die Art von Schuld, die so schwer auf deinen Schultern lastet, dass du das Gefühl hast, erdrückt zu werden, nicht aufrecht gehen zu können, du der letzte unbrauchbare Mensch auf dieser Welt bist.

Ich weiß, dass ich viel leiste. Oft mehr als gut für mich ist. Aber wie schon mal geschrieben, Wissen ist nicht gleich Gefühl. Und ich fühl das einfach nicht. Ich sehe, was ich erbringe, aber fühle nur das, was ich nicht erbringe.

Meine Befürchtung ist, dass ich beide, Scham und Schuld, nur gut genug wegdrücken kann.
Denn da sind sie ja. Nur nicht immer.
Und dann gibt es so Tage, da überrollen mich beide bzw. tu ich einiges dafür, dass sie es können. Ich fange ab, alles auszupacken, was ihnen alle Türen öffnet, um sich so richtig schön breitzumachen.

Mein Mann hat bei meinen Eltern nicht nochmal abgecheckt, dass sie an unseren Urlaub denken. Meine Mutter war also gestern recht überrascht, meinte, dann müssen sie eben zusehen, wie sie die Woche klarkommen und meinte, sie bräuchten auch mal Urlaub.
Den Satz habe ich natürlich mit einem „von mir“ beendet.
Alles in allem für niemanden ein Problem. Für mich eine Katastrophe.
Durch die ständige Betreuung, im Grunde bin ich ja ein Pflegefall, man sieht es mir nur nicht an, fühle m ich mich so oder so schon wie eine Zumutung. Aber dieses Ereignis sprengte den Rahmen.

Und nun hole ich seit gestern alles raus, was nicht geht, was ich nicht leisten kann, was es alles braucht, was ich alles brauche, um über die Runden zu kommen
Und soll ich mal ehrlich sein? Es fühlt sich „gut“ an und ich glaube, der Mechanismus, der dahinter steckt, ist der gleiche, der bei Frauen wirkt, die sich immer Männer aussuchen, die sie mies behandeln (einziges Beispiel, was mir gerade einfällt).
Es ist uns vertraut. Nicht mehr und nicht weniger. Und das ist der Grund, warum dass, was uns eigentlich schadet, sich so „gut“ anfühlt.
Wir sind es gewohnt, es bringt eine Art Stabilität mit sich, wir kennen es. Und genau das ist der Grund, warum es Menschen gibt, die mit Freunden und Glück nicht umgehen können. Denen das zu viel ist, es ihnen Angst macht. Weil sie es nicht kennen.
Kleiner Exkurs.

Jedenfalls schäme ich mich für die immense Hilfe, die ich benötige. Ich bin massiv traurig, dass oh ein Leben habe, was oft gefühlt nicht annähernd an das herankommt, was ich gern hätte. Ich vermisse zutiefst die Zeit, in der ich als TÄ in einer Praxis stand und Tiefen half. Und jetzt schaffe ich es seit Jahren nicht mal mehr mit eigenen Tieren in eine Praxis und schicke meinen Mann, weil ich mich einfach so schäme und dem wenigstens ein wenig entgehen mag.

Ja, ich bin für meine Kinder sicher eine wertvolle Mutter, stecke sie nicht mit 1 in eine Institution, die sie nicht brauchen, aber ich koste auf der anderen Seite auch nur Geld und bringe davon nichts mit nach Hause. Und das ist, was ich fühle. Ich bin eine finanzielle Belastung, eine mentale. Fehlt nur noch, dass man mich auf Klos tragen muss….

Ja, ich bin wertvoll, so wie ich bin. Und es ist scheißegal, was andere für ein Leben haben und wie viel Kohle sie heim bringen.
Aber das ist Wissen und kein Gefühl. Und genau da liegt der scheiß Köter begraben.

Ich fühl mich nicht wertvoll. Ich habe auch nicht das Gefühl, dass ich viel leiste.
Jetzt könnte man wieder auf Erziehung und Gesellschaft schimpfen, da hat der Mist auch seinen Ursprung. Nützt mir aber auch einfach mal rein gar nichts.

Und ich sehe den Weg nicht. Den Weg vom Wissen zum Gefühl. Ergibt sich da einfach wie bei andern Themen auch?

Ich habe 1,5 Jahre gebraucht, um zu verstehen, dass ich traumatisiert bin. Und jetzt weiß ich auch, was dieser Schalter ist, dieses Verstehen… Wenn ich es eben nicht nur weiß, sondern auch fühle.
1,5 Jahre…. Nur 3 Jahre hat es gedauert, bis ich endlich damit angefangen habe, also jetzt vor kurzem, mir Verständnis entgegenzubringen, nett zu mir zu sein, dann, wenn ich es am nötigsten habe.
Wenn ich mir überlege, was andere in 3 Jahren so schaffen… Zig Fortbildungen, einiges an Geld verdient, innerbetrieblich aufgestiegen….

Und ich? Was schaffe ich? Überleben. Meine Vergangenheit aufarbeiten. Im Grunde eine wichtige Aufgabe, vor allem wenn man bedenkt, was die Menschheit das letzte Jahrhundert so durchgemacht hat,
Aber ich fühl es nicht. Und andere verstehen es auch nicht.

Ich nicke immer anerkennend, wenn die Mentorin in der Selbsthilfe aufzählt, was man so alles geschafft haben kann, am Tag. Man ist aufgestanden, hat sich im besten Fall was angezogen und zu essen gemacht.
Und scheiß ja… Es gibt Zeiten, da sind das 110%. Aber ich finde einfach nicht meinen Frieden damit.

So möglich also nun wieder im Bett und schlafe mir die Nacht mit Scham und Schuld um die Ohren. Und den gestrigen Abend, den heutigen Tag…

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