6.00 Uhr klingelt bei uns seit zwei Wochen der Wecker. Die Große ist jetzt Schulkind, die Fahrt für mich nicht machbar. 40 Minuten dauert sie, wenn alles gut geht. Jup, es ist eine freie Schule geworden, ohne Noten, ohne Druck, …
Letztes Jahr war ich bei einem Einführungsabend. Gott, ich war sofort Feuer und Flamme. Ich saß in einer der ersten Reihen, ganz am Rand. Es regnete, dass weiß ich noch ganz genau, denn neben mir tröpfelte es von oben durch das undichte Dach herunter. Hat sich bis heute nicht geändert und verleiht dem ganzen einen gewissen Charme ;D oder nicht? Herrlich. An der Wand hing ein Bild über Kommunikation, darauf der typische Eisberg abgebildet. Ab da war die Sache für mich geritzt. Mein Gott, ich bin manchmal so schnell zu begeistern.
Klasse 1 bis 3 sind in einer Lerngruppe, mehrere Lern… naja, sie nennen sich nicht Lehrer, ist ja auch egal, wie man das Kind nennt. Shakespeare schrieb ja schon, das die Rose genauso duften würde, wenn sie einen anderen Namen hätte. Ich liebe einfach den Umgang mit den Kindern, der dort an den Tag gelegt wird. Auf Augenhöhe, respektvoll… ich erlebe dort nicht dieses Machtgefälle zwischen Lehrern und Kindern, welches ich von anderen Schulen kennen. Ja, Lehrer mögen in vielen Dingen mehr wissen, deswegen sind Kinder aber nicht dumm. Wir können viel von ihnen lernen, wenn wir es zulassen.
K2 weint wieder und ich merke, dass ich mich wieder in kleinen Dingen verfange, über die ich eigentlich gar nicht schreiben wollte.
Gott! Scheiße! Können wir bitte mal darüber reden wie scheiße, es ist, wenn die eigenen Kinder einen triggern??? Ja, das wird den meisten Eltern so gehen, weil Kinder immer ins uns etwas bewege, weil jeder seine eigenen Verletzungen mit sicher herumträgt. (Der olle Feuermelder piept im Hintergrund immer noch… ich überlege, ob es doch sinnvoller wäre, podcastmäßig Audioaufnahmen zu machen, bin mir absolut unschlüssig und hab schon wieder dieses Gefühl, ich müsste irgendetwas zerkloppen… unglaublich wie gut ein stiller Wutschrei und dreimal hämmern auf den Tisch gut tut… ich trage unglaublich viel Wut in mir, aber das vielleicht an anderer Stelle. Ich hasse diesen Feuermelder. Wie so ei scheiß kleines piependes Ding, mich so überreizen kann.. Joep Beving – Sleeping Lotus auf die Ohren und ich höre das Piepen immer noch, aber jetzt weine ich zusätzlich. Ehrlicherweise bin ich so fertig. So müde. Ich hab kaum Kraft für die täglichen, normalen Dinge des Lebens und das macht mich so unglaublich traurig. Pläne. Die hatte ich mal. Als ich noch studierte, glaubte ich, ich würde nach dem Studium in einer Kleintierpraxis arbeiten und nach Jahren so standardmäßig ein Kind bekommen, welches dann mit einem Jahr in die Krippe geht… ganz einfach, ohne Trubel, ohne großes Spektakel, ganz normal eben.
Diese Sehnsucht nach einem „normalen“ (ist ja nicht so, dass „normale“ Menschen nicht auch ihre Probleme hätten, aber dieser tägliche Überlebenskampf.. Gott, den Scheiß braucht niemand) Leben. Ab und zu holt sie mich ein. Und dann hab ich dieses Gefühl, ganz tief im Innern, dass es mich förmlich zerreißt. Nichts auf dieser Welt wünsche ich mir sehnlichster als diesen inneren Frieden in mir, den ich so dringend brauche. Ruhe im Kopf, Ruhe in mir. Du weißt ganz genau, was ich meine.
Ich bin derzeit wieder so runter, meine Energiereserven sind aufgebraucht. Es reicht nur noch, um irgendwie durch den Tag zu kommen. Und der Tag ist wie Kaugummi. Ein Kampf gegen Windmühlen ist nichts. Dieser tägliche Kampf gegen meinen Kopf… so ein widerlicher Schauspielplatz. Kein Entrinnen. Nur hier und da kleine Phasen des Aufatmens, von Erholung mag ich gar nicht schreiben.
Vor Wochen hab ich immer Shorts von einem Typen geschaut. Sie beginnen meistens gleich…. another day… you made it… i´m proud of you…. Meine Gefühle dazu waren immer ambivalent. Jetzt nicht mehr. Ich fühle das so sehr. Ich bin so froh, wenn da Tag vorüber ist und ich irgendwie noch da bin. Und wenn ich dann noch ein angenehmes Telefonat hatte, einen kurzen aber schönen Chat, mit einem Menschen, der mir guttut…. mehr kann ich im Moment nicht erwarten? Ich tu es jedenfalls nicht. Es schmerzt mich so sehr, mich darüber zu freuen, dass ich wieder einen Tag mehr geschafft habe. Wer will denn so bitte leben? Ich nicht. Du auch nicht. Und trotzdem ist es (noch) so. Es ist so ermüdend.
Exhausting. Der Klang dieses Wortes beschriebt es für mich besser als jede Übersetzung. Anstrengend… Ha. Erschöpfend..ja. Aber das ist ein Dauerzustand, derzeit. Ermüdend…wie kann etwas noch ermüdend sein, wenn man schon kraftlos und ermüdet ist? Exhausting. Es nimmt da, wo im Grund nicht mehr viel ist. Es laugt mich, nein, es saugt mich förmlich aus. Solange bis nur noch diese Hülle übrig bleibt und ich mich selbst nicht wieder erkenne. Ja, es lässt gefühlt nichts mehr von dir übrig.
Die Sonne scheint, aber die Tage sind mitunter so dunkel. Und da sind sie dann. Diese zwei Kinder, dich ich so unglaublich liebe, dass ich mehr von mir gebe, als ich eigentlich kann. Für die ich mich buchstäblich aufopfere und über meine Grenzen gehe und die liege bei PTBS ja bekanntlich nicht sehr hoch. 40 Minuten Fahrt. und dann noch 40 Minuten Rückfahrt. Ampel, Stau… Kraft, die ich nicht habe. Aber sie liebt ihre Schule. Ich liebe sie.
Wir haben jetzt, unglaubliche glückliche Fügung, eine Fahrgemeinschaft. Ergo, wenn ich fahren muss, dann nur die kurze Strecke und sie wird den Rest mitgenommen. Unglaublich, wie viel Glück man doch manchmal im Unglück hat. K2 fährt meistens mit und jammert dann noch vor acht, weil irgendetwas nicht klappt, wie sie es möchte. Was ja auch vollkommen ok ist und sein darf. Aber ich sitze im Auto und erlebe gefühlt den Weltuntergang. Weil ich keine Kraft habe, weil es triggert.
Als die Große noch nicht reden konnte, war das für mich die Hölle. Bausteine übereinander stapeln… ohne ein einziges Wort zu wechseln… als sie dann größer war und ich mich mit ihr unterhalten konnte, wurde es besser. Heute geht es mir mit beiden Kindern „okay“. Okay meinte, wie soll ich das beschreiben… es überschwemmen mich keine Flashbacks? Bin ich nur mit der Kleinen, hab ich wieder einen harte einen Kampf. Sie wird seit geraumer Zeit schnell ungehalten, wenn etwas nicht passt und gibt ihrem Unmut dann laut preis. Alles gut, alles richtig. Aber ich glaube, es frisst so viele Ressourcen, weil ich so nie sein durfte und es in mir viel in Bewegung setzt.
Ich wurde groß mit „ah, da kommen schon wieder die Hörner“, Wut wurde mir also aberzogen.
Es tut so weh, wenn Menschen, die ich so sehr liebe, so viel Leid in mir hervorrufen. Und ja, derzeit reagiere ich dann oft genervt. Ich schreie nicht oder dergleichen, aber ich bin deutlich genervt. Und statt das einfach als Istzustand anzunehmen, mache ich mich wieder fertig und zieh mir noch eins über.
Erst neulich las ich wieder, dass der Grund für Kindheitstraumata ungelöste Traumata der Eltern sein können. Ja, für die eigenen Traumata trägt man keine Schuld, die liegt woanders. Aber man trägt sehr wohl die Verantwortung. Im Grund ist die Verantwortung für sich selbst mit dieser ganzen Last schon mehr als genug. Und dann gibt es aber noch diese zwei kleinen unschuldigen Mäuse, die nichts, einfach gar nichts dafür können…. ;(
Ich gebe mein Bestes. Familienbett, Betreuung bei Tagesmutter und in dem Tempo, welches eben nötig ist, keine Strafen, keine unnötigen einschränkenden Regel, damit das Kind lernt, was Konsequenzen sind oder irgendso ein Quatsch, den Erwachsene sich ausdenken, weil sie Glauben, es sei nötig… und trotzdem hab ich das Gefühl, es reicht nicht.
Mir sind einige Menschen begegnet, die meinten, wenn sie es nochmal anders machen könnten, würden sie erst ihre Kindheitstraumata aufarbeiten und dann Kinder bekommen. Ja, sinnvolle wäre das. Der Gedanke, etwas weiterzugeben, bricht mir das Herz. Anderseits vertraue ich darauf, dass alles seinen Sinn hat. Es bringt mir nichts darüber nachzudenken, aber es beschäftigt mich immer wieder. Aber ich weiß, ich würde ihnen stets zur Seite stehen, so wie meine Familie mir zur Seite und das seit 7 Jahren.
Kein Mensch kann solche eine Bürde alleine tragen. Und ich glaube, dass Menschen ohne funktionierendes soziales Netz, unter solch einer Last zusammenbrechen. Nein, ich weiß es, denn mir sind Menschen begegnet, die den anderen Weg gewählt haben. Kein Mensch ist dafür gemacht, solch ein Leid alleine zu tragen.
Irgendwie bin ich heute total im Thema abgekommen. Aber so ist das Leben eben auch. Du gehst mit ganz bestimmten Erwartungen in eine Klinik. Und statt, dass sich die Hoffnung, etwas Ballast abzuladen, erfüllt, kommst du mit 4 neuen Menschen in deinem Leben zurück. Aber vielleicht sind genau diese vier Menschen jetzt meine Rettung. Das Leben geht manchmal Wege, die wir nicht verstehen. Aber ich weiß eins, ich möchte weder diese neuen Menschen missen, noch meine Kinder. Und dann gehen wir diesen steinigen Weg eben gemeinsam.
Es ist nicht deine Schuld, wenn deine Kinder dich triggern und es ist auch nicht deine Schuld, wenn Teile deiner Verletzung zu ihren werden. Die Dinge sind wie sie sind. Aber du kannst Verantwortung für dich übernehmen, anfangen dich um dich zu kümmern. Dich auf den Weg der Heilung zu machen. Und wenn deine Wunden heilen, dann auch ihre.
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