Mir geht es gehörig gegen den Strich, dass Trauma immer noch zu oft mit Krieg und Vergewaltigung in Verbindung gebracht wird. Ja, beides kann ein Trauma verursachen.
Also, was ist ein Trauma. Ein Trauma, ist eine Situation , die die Verarbeitungskapazität der Psyche übersteigt. Ergo, Trauma ist individuell. Die Situation, die bei mir ein Trauma auslöst, muss bei dir nicht zwangsläufig auch eins verursachen. Und auch Situation, die für eine Person völlig banal erscheinen, können für andere traumatisch sein. Also, jedes Ereignisse ist in der Lage ein Trauma auszulösen. Nix nur mit Krieg und Vergewaltigung…
Und das Hirn macht dann etwas ganz Geniales. Es spaltet einen Teil der Persönlichkeit ab und packt diesen Teil mit samt dem Erleben weg. Weit weg. Und so rettet es dem Individuum das Leben. Man würde die Situation emotional nicht überleben. Krasser scheiß, oder?
Soweit so gut. Wenn man bedenkt, was die letzten 100 Jahre so im Land los war, kann man davon ausgehen, dass in Grunde die gesamte Bevölkerung mehr oder weniger traumatisiert ist. Mit einem oder mehreren Traumata kann man auch gut durchs Leben kommen. War bei mir auch so, naja. Jedenfalls hatte ich 32 Jahre keine PTBS. Die Traumata brauchen erst mit der Geburt unseres ersten Kindes auf. Ich kann jetzt nicht behaupten, dass mein Leben vorher rund lief. Gefühlt stolperte ich da auch nur von einer Katastrophe in die nächste. Aber ich „erinnerte“ mich wenigstens nicht an die Vergangenheit.
Zurück zur Bevölkerung. Traumata sind leider übertragbar. Wenn sich nicht irgendwann mal jemanden findet, der den Mist aufarbeitet… Leider kann ich auch das nur bestätigen. Also der Krieg in der Ukraine losging, ging es bei mir auch rund. Ich habe ohne Ende Panik geschoben. Ich sah am Horizont sie Bomben fallen und hatte das Gefühl mittendrin zu sein. Ich hatte das Minute das Gefühl, gleich klingelt es an der Tür und mein Mann wird eingezogen. Ich hab bei eBay Kleinanzeigen nach einem Rollstuhl gesucht…. Herzlich willkommen im Team der transgenerationalen Traumata bzw. bei den Kriegsenkeln. Ja, manchmal weiß ich nicht, wo ich anfangen soll. Mit Ausarbeitung. Eigentlich dachte ich immer ich hab schon genug eigenen Mist wegzuräumen, kommt sowas noch dazu. Meine Begeisterung hält sich in Grenzen.
Mit ein bisschen Glück nimmt man seine Traumata einfach mit ins Grab. Gabriele Kahn schreibt, dass der Körper von selbst in Aufarbeitung geht, wenn er genügend Kraft gesammelt hat. Scheinbar kann es aber eben auch späterer Ereignisse geben, wie bei mir die Geburt des ersten Kindes, die Traumata aktivieren. Wann genau sich nun eine PTBS bildet oder nicht, wann Traumata aufbrechen oder nicht, habe ich noch nicht ganz verstanden.
Mir ist auch immer noch unklar, warum es Menschen gibt, die sich scheinbar doch erinnern und warum manche keine Flashbacks haben. Ich kann mich an nichts erinnern. Liegt einerseits auch daran, dass bildhaftes Erinnern erst mit circa drei Jahren eintritt. Davor wird alles in Gefühlen abgespeichert. Und die sind es dann auch, die mich überschwemmen.
Kurz zu den Traumata, von denen ich weiß. Ich verlor im Mutterleib meinen Zwillingsbruder. Bei meiner eigenen Geburt lief ich blau an und landete für neun Tage im Brutkasten ( bei der Dauer muss da mehr als „nur“ der Sauerstoffmangel gewesen sein), anschließend musste ich als Baby monatlich zum Augenarzt. Das Gebäude kann ich heute ohne Rückfall ins Trauma nicht betreten. Im Kindergarten erlitt ich mind. ein sexuelles Trauma. Zwischen dem ersten und neunten/zehnten Lebensjahr war ich viel bei meinen Großeltern… Ich kann mich an nichts erinnern. In der Schule war ich Mobbing ausgesetzt ( daran kann ich mich bildlich erinnern, aber die Gefühle sind komplett weg bzw. abgespalten). Ka, ob das alles ist. Reicht aber, oder? 😅 Ja, manchmal kann ich drüber lachen.
Gern nochmal zurück zur Weitergabe von Traumata. Wir lernen von unseren Eltern, die lernten von ihren. Kinder, die Schläge erfahren und traumatisiert werden und dies nicht aufarbeiten, werden sich auch nicht komplett heilsam gegenüber ihren Kinder verhalten können. Mir hat in meiner Kindheit einiges gefehlt. „Wir lieben dich“, gesehen zu werden, wie ich bin, Trost und Nähe, wenn ich nachts den Schrecken der Alpträume ausgesetzt war, weil mein Hirn versuchte Traumata aufzuarbeiten. Es ist ein elender Kreislauf, der sich fortsetzt, bis einer mal reflektiert genug ist und den ganzen Scheiß hinterfragt.
Vor Jahren war, also schon mit PTBS, war ich Mal bei einer Therapeutin. Ich weiß nicht mehr, wie wir drauf kamen, aber ich weiß genau, dass sie mir sagte, dass ich vielleicht so ein Mensch bin, der seine Familie errettet. Klingt ziemlich heroisch. Aber es ist mal so überhaupt nicht geil ein Cyclebreaker zu sein.
Ich mache vieles anders. Wir machen vieles anders. Familienbett, solange sie es brauchen, bedürfnisorientierte Umgang. Ich mag diese klassische Erziehung so gar nicht. Das Wort schon nicht. Ich mag meine Kinder nicht in irgendeine Richtigung ziehen, sie zu etwas machen, von dem ich denke, es ist richtig. Anmaßend. Ich möchte, dass sie die Persönlichkeiten bleiben, die sie sind. Regeln? Ähm…. Joa. Ein Nein ist ein Nein, der Freiraum des einen endet da, wo die Grenze des anderen beginnt. Liebe, jede Menge Liebe. Und nein, damit verzieht man Kinder nicht. Und nein, unsere Kinder tanzen und nicht auf der Nase herum 🤷🏾♀️ ich Versuche auch nicht und als Eltern und Kinder zu sehen. Schwe zu beschreiben. Wir sind vier Menschen. Zwei von uns leben schon etwas länger und haben einiges erlebt, die zwei anderen haben da noch mehr vor sich. Aber ich maße mir nicht an zu denken, ich könnte von meinen Kindern nichts lernen und wüsste alles besser. Ich mache jede Tage so viel Fehler und ich bin mir auch nicht sicher, ob ich Traumaanteile von meinen Kindern fernhalten konnte. Aber ich gehe andere Wege. Neue. Und da ist gut so.
„Unterschätze niemals Cyclebreaker. Sie haben nicht einfach nur jahrelanges generationenübergreifendes Trauma ertragen – sie haben ihm ins Gesicht geblickt und gesagt: ‚Hier, mit mir, endet es.‘ Das erfordert Mut. Das erfordert Kraft. Und es hat einen hohen Preis. Feiere die Cycle Breaker. Sie schreiben die Zukunft neu.“
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