In all den Monaten habe ich die Erfahrung gemacht, heute mehr als noch letztes Jahr, dass die Gedanken über etwas, bspw. gerade empfundene Angst, weitaus gravierender sein können als das Problem an sich. Die Art sich Gedanken zu machen, wenn man sich ausmalt, wie schlimm alles noch werden kann, nennt man katastrophisierende. Nach zwei Jahren kann ich sagen, dass nichts von alledem, vor dem ich Angst hatte, was mir alles passieren könnte, eingetreten ist. Das bestärkt mich heute, wenn es mal wieder in meinem Kopf rattert.
Als ich vor vielen Jahren schon einmal arge Zeiten durchlebte, lernte ich den Gedankenstopp kennen. Das Prinzip ist ganz einfach. Laut „STOPP!!“ sagen und sich dann möglichst konzentriert etwas anderem zuwenden. Dieses „Stopp“ kann durch einen sensorischen Reiz wie ein Gummiarmband, welches man im gleichen Atemzug schnipsen lässt, oder einen akustischen Reiz wie eine kleine Blechdose mit Schrauben verstärkt werden.
Mich ereilt gerade die Vorstellung, dass so mancher jetzt lachen mag. Aber Gedanken können hartnäckig sein. Es ist nichts falsch daran, über etwas nachzudenken, eine Lösung finden zu wollen. Aber ab dem Punkt, an dem Gedanken nur noch ins Leere laufen, Energie fressen und stören, sollte etwas getan werden. Das sogenannte Grübeln. Immer gleiche wiederkehrende Gedanken.
Die ersten Monate wäre das für mich nicht möglich gewesen. Aber irgendwie musste ich von diesen destruktiven Gedanken schnell weg. Wenn man die Gedanken also nicht stoppen kann, was dann? Man lenke sie in eine andere Richtung. Für das Lesen eines Buches fehlte mir die Konzentration. Ich konnte Monate fast nichts lesen und wenn ich es versuchte, wusste ich nicht, was ich las. Gott, der Scheiß war so krass…
Jedenfalls wurden mir andere Wege gezeigt, die ich dann schnell erweiterte. Immer wenn mich Panik überkam, sollte ich mich im Raum umschauen und ein Ding benennen; das ich sah, ein was, was ich hörte; keine Ahnung, was es noch war, aber ich hab es für alle Sinne so gemacht und nicht nur bis zu fünf Dingen, die ich sah, sondern weitaus mehr. Man nennt das, glaube ich, 5-4-3-2-1-Übung.
Ich habe das beim Joggen zelebriert, auf Toilette, beim Essen, beim Stillen…. nun merkt ihr vielleicht schon wie viel kognitive Arbeit das ist. Ich hatte es nach Monaten auch satt, es frisst wirklich verdammt viel Energie, es ist unglaublich. Deswegen ist die Arbeit an der Ursache so wichtig. Das hier ist nur Symptombekämpfung, aber dennoch nützlich.
Das Alphabet machte ich mir auch zunutze. Alle Namen, die mir zu A einfielen, B, C… nur männliche, nur weibliche, mindestens 10 oder 20… Tiere zu A, B… nur Säugetiere, nur Tiere, die im Meer leben… die Liste war lang.
Mit Verkehrszeichen spielte ich auch. Zusammengesetzes Substantive aus den Buchstaben. Farben… was ist alles grün, rot, blau, ….gestreift, größer als,… lasst eurer Fantasie freien Lauf, tobt euch so richtig aus!
Heute denke ich lieber an meine Familie, wenn es mal wieder rattert. Dieses Gefühl, was mich dann ausfüllt, jemanden zu haben, der einen nicht von der Seite weicht, der Schutz bietet, hielt damals nur für wenige Sekunden an. Aber in diesen wenigen Sekunden, in denen ich etwas spüren konnte, … das treibt mir immer noch die Tränen in die Augen.
Wenn Euch Musik gut tut, dann nutzt das. Oder Gedichte auswendig lernen? Meditation? Findet Eure Übung. Es geht nicht um das wie, sondern darum, dass ihr es überhaupt macht. Und es geht auch nicht darum irgendein Thema wegzudrücken. Mit Problemen sollte man sich auseinandersetzen, aber konstruktiv. Und Grübeln bringt in aller Regel keine guten Gefühle mit sich und führt selten zu einer sinnvollen Lösung.
Euer Kopfflüstern
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