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Struktur

von | 15. April 2019 19:43 | 0 Kommentare

zuletzt aktualisiert am 19. April 2025 16:34

Ein roter Faden, der sich durch den Tag zieht, an dem man sich entlang hangeln kann. Eine Strukturierung des Tages eben. Bietet Halt und Sicherheit. Struktur ist wie ein Geländer, an dem man sich festhalten kann, wenn der Boden unter den Füßen zu wackelig wird. Sie ermöglicht es einem, mehr im Hier und Jetzt zu sein und weniger bei seinem Problem. 

In aller Regel werden die meisten darüber gar nicht nachdenken, da durch Arbeit und eventuell Kinder der Tag automatisch strukturiert ist; meist so eng, dass kaum noch Freiraum bleibt. 
Steht dann plötzlich das Rentnerdasein an oder man wird Mutter (Väter gehen ja doch oft weiter arbeiten) oder die Seele bremst einen aus, ist das plötzlich sehr viel Zeit. So viel, dass ich damit nichts anzufangen wusste. Ist nur die halbe Wahrheit. Bevor mein Leben wieder etwas anderes mit mir vorhatte, als ich mit ihm, hatte ich auch den ganzen Tag Zeit und brachte den gut rum. Aber mit psychischen Problemen und einem Kind ist das etwas ganz anderes. 

Für Struktur war ich anfangs gar nicht bereit. Heißt, ich war mit den Gedanken, mit meiner ganzen Gefühlswelt, in meinem Problem gefangen, konnte mich gar nicht auf etwas anderes konzentrieren. Dennoch war ich in der Klinik für ein wenig Abwechslung dankbar (Ergotherapie, Besuche, Spielabende). 

Wieder daheim ging alles von vorne los. Ich hatte unwahrscheinlich viel Angst nach Hause zu gehen. Keine Mitpatienten mehr, keine Termine wie Ergotherapie, Geprächsgruppen, Maltherapie… 
Trotz Kind hatte ich unglaublich viel Zeit, aber die konnte ich plötzlich nicht mehr so nutzen, wie ich es bisher gewohnt war. Das war schrecklich für mich.  Außerdem konnte ich ja anfangs gar nicht alleine sein. Also irgendwohin fahren, Krabbelgruppe, Rückbildungskurs war erstmal nicht drin. Erst nach Wochen traute ich mich alleine mit Kind in die Welt hinaus.

Heute habe ich oft einen Termin am Vormittag und einen am Nachmittag. Also wenig Freiraum für kreiselnde Gedanken. Das ist gut. Und nicht nur Kinder brauchen Kinder, sondern auch Erwachsenen andere Erwachsene. Win-win-Situation. 
Ich habe in den letzten Monaten echt viel mitgenommen. Pekip, Babymassage, Krabbelgruppen, Babyschwimmen, interkulturelle Gruppen mit Kind, Yoga mit Kind, eine Mutter-Kind-Gruppe, Indoorspielplatz. 
Anfangs war ich von meinem neuen strukturierten Tag so abhängig, dass ich Panik bekam, wenn plötzlich eine gewohnter Termin wegfiel. Jetzt kann ich damit relativ gelassen umgehen, dennoch stellt es mich vor eine kleine Herausforderung. 

Egal wie sehr und durch was Euer Leben aus den Fugen gerät, erhaltet euch eure Tagesstruktur. Geht Hobbys nach, besucht Kurse (und es gibt echt viele Angebote, die kostenfrei sind oder auf Spendenbasis laufen), geht zu Freunden, sucht Gleichgesinnte. 
Von zu viel Gleichgesinnten möchte ich allerdings abraten. Ihr wollt wieder ein „normales“ Leben, also eines, was nicht auf das Problem ausgerichtet ist. Selbsthilfegruppen können eine wahre Wohltat sein, aber man sollte es nicht übertreiben. Viele sind einfach auf das Problem fixiert und von dem möchte man ja weg. Also mit dem umgeben, was man haben möchte. 

Das richtige Maß ist wichtig. Anfangs brauchte ich wahnsinnig viel Struktur und damit Ablenkung, es ging einfach nicht anders. Ich wollte keine Zeit für Selbstreflexion oder etwas in der Art. Dafür war ich viel zu instabil. Jetzt ist es ausgewogenen und ich traue mir auch freie Zeit zu, in der mein Kopf nicht beschäftigt ist und ich nachdenken kann. 
Alles zu seiner Zeit! 

„Der Ziellose erleidet sein Schicksal – der Zielbewusste gestaltet es.“ (Immanuel Kant)

In diesem Sinne

Euer Kopfflüstern

 

Was mir sonst noch half, findet ihr hier!

 

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